Heute genau vor einem Jahr bin ich morgens vor Schreck fast vom Klo gefallen. Es war gar nicht so sehr die Erkenntnis, dass ich eine unordentliche bis eklige Person bin, die mich derart erzittern ließ, sondern die Tatsache, dass der pipigetunkte Teststreifen der da von gestern Abend noch so herum lag, wie ich ihn irgendwo hingelegt und dort vergessen hatte, nicht mehr negativ war. Umgestrichelt über Nacht. Sie sind nicht nichtschwanger. Oida.
Darauf hätte ich erst mal eine Zigarette gebraucht. Allerdings hatte ich keine Zigaretten, weil ich am Vorabend am Automaten so ein komisches Gefühl hatte. Nicht das zu erwartende Lungenstechen, sondern so ein…da stimmt doch was nicht…und das war ja dann auch der Grund, warum ich statt Zigarettenkauf zur Eigenurintestung schritt. Mit nem Test kurz vor Ablaufdatum. Schwangerschaftsphobikerinnen haben sowas auch zuhause, wenn sie gar nicht schwanger werden wollen. Oder können.
Ich meine "komisches Gefühl", was soll der Scheiß, ich kann gar nicht schwanger sein. Ich hab doch maximal ein bis zwei Mal die Pille vergessen. Oder vergessen ob ich sie nun vergessen habe oder doch nicht. Da kann eigentlich genau nix sein. Hirnschwanger maximal. Die Psyche…. Zigaretten kann ich mir aber eigentlich morgen auch noch kaufen. Weil wenn…also nicht dass es wirklich sein könnte…ich meine "komisches Gefühl"…aber…
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Heute vor einem Jahr haben auch der Betriebsrat, mein Chef und das Babyforum von der Schwangerschaft erfahren. Oder erst das Babyforum und dann der Betriebsrat und dann der Chef.
Der Herr Chaos hat erst abends davon erfahren, als der durch Teststreifenumstrichelungen erzeugte Lebens…nicht -entwurf, sondern -umwurf zumindest so weit entchaotisiert war, dass ich wieder was anderes als "Scheiße, scheiße, scheiße, nicht jetzt, das ist wirklich ganz, ganz, ganz…kompliziert" sagen konnte.
Wirklich viel sagen konnte der Herr Chaos dann erst mal auch nicht. Aber wenigstens durfte der sich betrinken und immerhin konnte ich ihm sagen, dass das Babyforum und der Betriebsrat das Chaos so weit hingebogen haben, dass der Chef das Chaos nicht noch schlimmer machen konnte und die Frau Chaos aber sowas von in letzter Sekunde noch die beruflich-finanzielle Kurve gekratzt hat.
Ich meine, wer rechnet aber auch damit, dass er ungefähr ausgerechtet am Tag der einvernehmlichen Auflösung des Dientsverhältnisses schwanger wird. Am Geburtstag. Trotz Pille. Und dass dadurch erstmal einfach alles ganz anders wird, als man das vorgehabt hat.
Das komische Gefühl kann damals keine 10 Tage alt gewesen sein. Das komische Gefühl ist also streng genommen mittlerweile etwas über ein Jahr alt. Das komische Gefühl wiegt derzeit 6 Kilo und hat grade eine volle Windel.
Hannelore S. (105) versteht die Welt nicht mehr. "Ich war doch nur mit meinem Wasti ein bisschen im Park." Wasti, der treuherzige, ein wenig übergewichtige, ponykleine Labrador mit den sanften Glubschaugen, sitzt derweil auf Hannelores Wohnzimmertisch und frisst die Kekse, die sie für unseren Reporter bereitgestellt hat.
"Wasti ist so ein lieber Hund. Der tut nix" sagt Hannelore und man glaubt ihr jedes Wort. Seit 97 Jahren hält sie Hunde auf ihrem Wohnzimmertisch oder in ihrem Bett, aber so etwas ungeheuerliches ist ihr, der Hundeerfahrenen, noch nie passiert:
Schon lange geht das Gerücht um, im Park würden sich zunehmend Frauenbanden bilden und die Kinderspielpläze und Wiesen besetzen. "Einmal hat sogar eine gesagt, ich soll den Wasti nicht da her Haufi machen lassen. Können sie sich das vorstellen? Ja wo soll er denn sonst?".
An jenem verhängnisvollen Montag Nachmittag hatte Hannelore ihrem Wasti ein Stück Freiheit gegönnt, mehr als die 3,5Meter Rollleine, die sie ohnehin zuhause vergessen hatte.
"Früher hat man die Hunde noch überall rennen lassen können. Aber dann sind die Mütter gekommen. Und die Jogger." erzählt Hannelore S. Sie hat Tränen in den Augen "Jetzt wollen`s dass man auf die Hundewiese geht. Ja wissen sie überhaupt, wie weit man da gehen muss, bis man dort ist? Das sind sicher 467 Meter. Das ist eigentlich eine unwahrscheinliche Sauerei."
Hannelore wurde am hellichten Tag angepöbelt. Einfach so. Von einer Mutter. Die Unbekannte forderte, dass Hannelore ihren Wasti anleint, dabei wollte der Wasti nur spielen. Spielen mit den Hunden der fremden Frau. Agressive Hunde, so aggressiv, dass sie angeleint waren. Hannelore hat sofort gesagt "Wasti, komm doch bitte zum Fraudi", wie sie gesehen hat, dass der Wasti die 50 Meter vorgelaufen und zwischen den fremden Hunden gestanden ist. Dann haben die fremden Hunde gebellt und der Wasti hat sich gefürchtet.
Hannelore versteht nicht, wie man so ausfallend werden kann wie die fremde Frau. Sie möchte die Worte, die gefallen sind, nicht für uns wiederholen, sie weiß auch noch nicht, ob sie dem Seelsorger, der hinzugezogen werden musste, davon erzählen wird.
Dabei ist der Kinderwagen überhaupt nicht ganz umgefallen. Dass der Wasti stürmisch ist, das ist halt seine Art. Das sagt jeder, der ihn kennt. Und er hat es ja nicht so gemeint.
"Früher war alles besser. Da hat der Wasti auch nur 3 Kilo ghabt. Jetzt hat er 50. Wie soll ich den denn an der Leine halten? Was glaubt denn die?".
Hannelore S. ist nachhaltig traumatisiert. "Und ich hab mir noch gedacht, die ist doch selber eine Hundebesitzerin, die muss das doch verstehen. Dem Gschropp ist eh nix passiert. Aber der arme Wasti hat sich die Hüfte am Kinderwagerl angehaut, wie es da so blöd auf dem Parkweg gestanden ist. Es wär fast auf ihn drauf gestürzt. Hat die nicht aufpassen können?"
Auch die städtische Polizei berichtet auf Nachfrage, dass es bekanntes Problem für Hundebesitzer sei. Die Mütter im Park werden immer agressiver. Postenkommandant Alois Pospischil warnt daher: Bitte meiden sie Kinderauslauflächen und stark frequentierte Parkanlagen. Ihre Hunde sind im Freilauf zwischen den Spielgeräten nicht mehr sicher. Wir vermuten außerdem, dass Frau Hannelore Opfer einer bereits stadtbekannten Wiederholungstäterin wurde. Zur Tarnung hält sie sich selber Hunde. Mit ihrem Kind allerdings bringt sie regelmäßig nichtsahnende, unbescholtene Hundebesitzer in Gefahr.
"Sie hat gesagt, dass sie, wenn sie mir noch mal begegnet und der Wasti den Kinderwagen nochmal auch nur anschaut, sie meine Zahnprothese vor den Zug wirft und den Wasti zu den Weight Watchers schickt."
Hannelore zittert. Man weiß nicht, ist es Morbus Parkinson oder die Angst, die Hannelore seither nicht mehr los lässt.
Nein, in die Trage käm mir keiner, der kleine Hund darf aber manchmal am Kinderwagerl mitfahren, wenn er anders Gefahr laufen würd, von Menschenmengen in der U-Bahn zertreten zu werden.
Die alte Dame war aber arm, die hätt beinah geweint, weil ihr der Irrtum so peinlich war und sie dachte, sie hätte mich übel beleidigt, dabei mach ich doch selber dauernd Vergleiche zwischen jungen Hunden und Kindern und tret damit irgendwem auf den Schlips, der das, im Gegensatz zu mir, für nicht zulässig hält.
Habe einen Vaterschaftstest gemacht! - Wenn man das Saugerl anpustet und dabei Furzgeräusche von sich gibt, dann kichert es seit einigen Tagen richtig mit Geräusch. Ganz eindeutig der selbe billige Humor wie der Vater.
Also nicht, dass ich an der Vaterschaft gezweifelt hätte, aber…die Mutterschaft steht doch meist unzweifelhafter fest.
Dabei hat man mir eher einen vierten Hund zugetraut, als ein eigenes Kind. Warum auch immer. (Neulich, als das Saugerl im Eisbärkostüm im Tragtuch steckte, fand eine Passantin es auch naheliegender, dass ich mir tatsächlich einen Teddybären umgebunden habe, anstatt eines Kindes. Oh und dann gab es da noch die alte Dame, die fragte, ob da im Tuch auch ein Hund drinnen ist…)
Ich mochte Kinder seit jeher, dazu müssen das gar nicht meine eigenen sein. Ein eigenes allerdings fand ich halt nie zwingend nötig für`s Lebensglück. Ja, ich kann mir auch weiterhin vorstellen, dass ein kinderloses Leben nicht öde und leer ist, andererseits kann ich es mir ohne das Saugerl auch nimmer vorstellen.
Es hat allerdings schon eine Weile gedauert, bis das Saugerl und ich sowas wie eine richtige Beziehung hatten. Die ersten Tage dachte ich häufig "Wenn man mir jetzt 5 Babies her legt, ich könnte nicht sagen, welches meines ist." Heute würd ich das Saugerl unter tausenden heraus kennen, vorher hätt ich einfach ganz ungeniert das genommen, das mir am Besten gefällt.
(Da hätt ich also zufällig eh das Saugerl ausgewählt.
Zwar findet wahrscheinlich jede Mutter ihr Kind am schönsten, aber wenn ich mir das Saugerl so ansehe, muss ich sagen, das Saugerl ist einfach das schönste und liebste und tollste.
Naja, ich will mal nicht so angeben. Realistisch gesehen ist sie vielleicht doch nur das zweithübscheste Baby ever. Der schiefe Blick trübt die Optik ein ganz kleinwenig. Noch überkreuzt das Saugerl zeitweise die Augen so wie Clarence, der schielende Löwe aus Daktari.)
Insgsamt ist das Saugerl optisch ganz famos gelungen (Charakterlich lässt sich, außer was das Humorverständnis anbelangt, noch nicht allzu viel sagen, es scheint mir aber ein recht gelassener Typ zu sein). Vielleicht noch davon abgesehen, dass es alle paar Tage aussieht, als wär es einer schlagenden Burschenschaft beigetreten, weil es sich selbst mit diesen fiesen, kleinen, ultrascharfen Babyfingernägeln ein paar Schmisse im Gesicht verpasst hat.
Babies fand ich zwar grundsätzlich immer ganz okay und habe stets zurück gegrinst, wenn mich mal eines angegrinst hat und ich hab auch immer brav alles aufgehoben, was sie mir vor die Füße geworfen haben, aber so richtig schlau wurde ich aus den Dingern nicht und insgesamt hielt ich sie bislang für recht reduziert im emotionalen und sonstigen Ausdruck.
Dabei ist so ein Baby wirklich spannend und lustig, wenn man es mal näher kennt. Das kann tatsächlich mehr als schreien und lachen.
Ich bin mittlerweile immer ganz ehrfurchtstarr. Es ist, als ob der Mensch so eine Art Implantat in sich tragen würde, eine innere Zeitschaltuhr, die plötzlich anspringt und dann spult das Baby ein Programm ab, ein beinhartes Trainingsprogramm. Man muss denen nämlich im Grunde überhaupt nichts lernen, man muss nur daneben stehen und ihnen Bestätigung geben, ansich aber können die alles aus sich heraus.
Wenn das Saugerl im Babytrainingscamp liegt, dann übt es mit einer unglaublichen Beharrlichkeit, fast schon Verbissenheit, jeden Tag neue Dinge, die es sich einfach selbst beigebracht hat. Ich sitz nur daneben und staune sehr.
Neulich hat das Saugerl schon wieder ein Fähigkeiten-Update vorgenommen. Da dachte ich erst noch, Drehen ist nicht so ihr Ding und plötzlich fuchtelt Saugerl wild und streckt und reckt - und dreht sich. Man ist geneigt, das erst für Zufall zu halten, doch der Bebinger hat weiter geübt und sich gleich vier Mal hintereinander zunehmend eleganter gedreht. Rücken auf Bauch. Ohne dass ihm wer das gezeigt hat. Fas-zi-nier-end!
Ich kann seit dem Kaiserschnitt keine Schraubgläser mehr öffnen.
Was auch immer das für ein Tiefenmuskel ist, den das beleidigt (Oder ist meine Schraubtechnik einfach so bescheuert?) - jeder Kampf mit dem originalverschlossenen Gurkenglas endet 1:0 für das Glas.
Ich muss es an den Mann weiter reichen und mir dann schnell den Bauch halten gehen, weil die Narbe danach ein, zwei Tage schmerzt. Wegen eines Gur-ken-gla-ses (An dieser Stelle bitte Rollaugensmiley dazu denken). Wie Weichei bin ich eigentlich geworden?
Homöopathie bringt mich aber darauf, dass ich mich schrecklich über meine mittlerweile Ex-Tierärztin ärgere. Ich wollte schon letztens keine homöopathische Anamnese, sondern schlicht abgeklärt haben, ob der kleine Hund eine Blasenentzündung hat, oder nicht.
Jetzt ist schon wieder was mit dem kleinen Hund passiert. Er hat fürchterlich abgenommen und gekackt wie ein sehr großer Hund, obwohl er sehr klein ist - und das alles in dünnflüssig.
Also hab ich das Saugerl in sein Tragtuch gepackt und den kleinen Hund in seinen Hundepullover, den er hasst, aber tragen muss, weil so ausgemergelt und klapprig, dass die Blasenentzündung doch noch kommt, wemma nicht aufpassen.
Das Saugerl war allervorbildlichst im Warteraum. Insgesamt 5 Stunden lag (Merke: der Tag nach dem Feiertag ist im Supermarkt wie beim Tierazt so, als ob es nie wieder einen anderen Tag gäbe und alles immer sofort erledigt werden muss. Im Fall vom kleinen Hund hab aber sogar ich auf sofort gepocht, der war ganz bedauernswert. Unser Parkettboden übrigens auch.)
Der kleine Hund hat Infusionen bekommen, das Saugerl hat ein Busensackerl hingehängt bekommen, draußen, im Hof von der Tierklinik.
Natürlich hab ich ausgerechnet an dem Tag beschlossen, dass wir wohl auswärts eh nicht wickeln werden und die Reisewickeltasche vom Kinderwagen abmontiert, weil der dann gleich viel leichtgängiger ist. Nunja. Wir mussten dann also doch noch mal heim. Und die Blutwerte vom kleinen Hund waren eh noch nicht fertig.
Schlußendlich stand fest: es steht nicht so dramatisch um den kleinen Hund, wie er aussieht, aber er muss Medikamente nehmen, gegen fiese Einzeller, die im kleinen Hund Party feiern.
Fiese Einzeller, die blödestenfalls auch in kleinen Kindern oder kranken, alten Leuten Party feiern, die kein gscheites Immunsystem haben und nicht nur dem Hund die Scheißerei bescheren, sondern eben auch Menschen befallen können.
Mensch-Tier-Infektion möglich. Bitte mit kleinem Kind aufpassen! Das hat sogar die Tierärztin ausdrücklich so gesagt.
Mit dem kleinen Saugerl und dem kleinen Hund heim gewankt und als das Hirn endlich aus dem Warteschleifenschlaf erwachte, dämmerte es mir: Moment, wenn der kleine Hund es hat, können es auch die großen Hunde haben. Symptomlos zwar, aber dennoch mögliche Ausscheider. Lustige Reinfektion alle paar Meter. Das alles in meiner Wohnung. Neben dem Saugerl. Blöderweise dämmerte mir das erst daheim. Nach Ordinationsende.
Zwar dürfen die Hund das Saugerl nicht abschlecken, nur unter Aufsicht beschnüffeln, bis hier ein bisschen mehr Hund-Kind-Alltag eingekehrt ist und die Hunde das Saugerl zuverlässiger als Ganz-oberstes-Total-Zwick-Tabu begreifen und auch mehr mögen (momentan ist so ein Säugling ihnen eher unheimlich. Und ich hab echt immer den Eindruck, sie kriegen Schädlweh von der Schreierei. Zwar sind sie grundsätzlich aufgeschlossen, aber haben müssens das Saugerl nocht nicht unbedingt. Es tät ihnen nicht fehlen, würd ich es wieder ins Krankenhaus zurück bringen, wo ich es ihrer Meinung nach her hab. In dieser Schwangerschaft hat sogar der dicke Hund irgendwie nicht so mitgefiebert, wie in der ersten, die leider unschön endete. Aber diesmal haben die Hunde auch mehr Lebensänderungsstress und sind noch nicht solide in neuer Wohnung und neuem Leben gesettelt), aber…moment…wo war ich?
Jedenfalls. Es könnte passieren, dass sich das Saugerl anstreckt. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, gerade wenn dem kleinen Hund trotz Medikation noch immer der Dünnpfiff alle paar Meter raus schießt, egal, wo er grad liegt oder steht. Fäkal-orale Infektion ist nun nicht so happig, wie Tröpferlgschichten, wo Dir die Bazillen durch die Gegend fliegen, im Fall von Giardien liegen sie ja bloß rum, aber…
Meine Risikoberechnungen haben ergeben: Ich geh kein weiteres Risiko ein und wunder mich sowieso, wieso mir niemand gleich Tabletten für die ganze Hundebande in die Hand gedrückt hat, das ist so unüblich nicht, einen ganzen Bestand zu behandeln, damit diese hartnäckigen Drecksbazillen sich wirklich schleichen.
Also die Standardtierärztin angerufen, die den kleinen Hund sonst immer behandelt hat, damit das Saugerl und ich nicht wieder so weit zur Tierklinik gehen müssen und erklärt, dass ich gerne volle Dröhnung für alle kaufen möchte.
Volle Dröhnung für alle, auf Verdacht, ohne vorher Hundstrümmerl in Proberöhren zu packen und untersuchen zu lassen und für den Fall, dass nicht alle befallen sind, nach Ablauf der Kur nochmal alle Hauferl untersuchen zu lassen, ob sich nicht vielleicht doch noch einer angesteckt hat, weil der kleine Hund trotz Medikamenten ja noch einige Tage infektiös ist. Und falls sich dann doch einer der großen angesteckt hätte das Medikamenten- und Gackuntersuchungsprozedere nochmal von vorn und so weiter bis in alle Ewigkeit, wenn`s blöd rennt. Wird schon nicht, könnte aber.
Sagt sie erst "Nein" und dann: "Naja, aber das muss man sich schon gut überlegen, bevor man Medikamente gibt." Sag ich: "11 Wochen altes Kind im selben Haushalt und ein Hund nachweislich massiv befallen, wie gut soll ich noch überlegen?".
Der kleine Hund hat ihr leid getan, das mit dem Kind hat sie irgendwie überhört.
Nachdem ich cirka 10 Mal wiederholen musste "Schaun sie, da lebt ein 11 Wochen altes Kind mit den Hunden, wovon einer, der mit der auf Hunde und Menschen übertragbaren Gschicht, mir grad dauernd die Bude vollgackt, inklusive der Hundeschlafplätze. Da haben aber nicht die - momentan möglicherweise nicht betroffenen - Hunde Priorität und sollte es einer der großen Hunde gar nicht gehabt haben, ist das bedauerlich für ihn, wenn er trotzdem ein Medikament kriegt, mir aber wurscht. Nicht wurscht ist mir, wenn ein Säugling Hardcore-Durchfall kriegt"
"Unter Protest!" hat sie gesagt. "Nur unter Protest!" Wohlgemerkt, wir reden hier von einer Wurmkur, die man über einen etwas längeren Zeitraum gibt, als bei der vierteljährlichen Standardentwurmung, nicht von dauerhaft beuschelzersetzenden Medikamenten oder den Spezialitäten aus dem Suchtmittelschränken. Und entwurmt ghört hams sowieso eh auch mal wieder.
Dann hat sie mir den TierquälerTodesblick zugeworfen und doch ein Rezept raus gerückt. Unter Protest. Ich hab mir das "Blöde Kuh!" nur gedacht, weil man muss keine Kinder mögen, noch nicht mal Menschen im allgemeinen um sowas wie eine Behandlungshierarchie einzuhalten. Und dann gibt`s da auch was, das nennt sich Prävention. Die dient unter anderem dazu, zu verhindern, dass es die trifft, die es schlimmer träfe. Neben dem kleinen Hund, den es schlimm getroffen hat, gäb`s da noch einen kleinen Menschen, den es ebenfalls sehr blöd treffen könnte. Wird wahrscheinlich eh nicht sein, aber...
Und ähm…nunja…selbst einem Tierarzt sollte in manchen Momenten Menschenwohl vor gehen. Nicht nur, weil die Hunde ihre Rechnungen nicht selber zahlen.
Jetzt weiß ich zwar, dass die Dame sich sehr um das Wohlergehen meiner Hunde sorgt, ihre Darmflora und ihren energetischen Haushalt und ihr (Qi)Chi (das chinesische, das in Chihuahua aber wahrscheinlich ebenfalls) ,ich weiß aber auch, wo ich nicht mehr hingeh.
Im Zweifelsfalle, selbst bei kränkestem kleinen Hund, wär mir das Saugerl in solchen Dingen dann trotzdem immer näher.
2016 hat angefangen, wie 2015 aufgehört hat. Auf dem Sofa.
Das Saugerl und ich haben nämlich unseren ersten Frauenabend veranstaltet, bei dem auch viel geheult werden durfte. Zwischendurch gab es je eine Portion linkes oder rechtes Trinkfleisch mit Thunfischpizza-Tiramisu Geschmack, obwohl, so wirklich wollt das Saugerl eh nicht.
Das Saugerl hat nämlich Babydepressionen.
Deshalb haben wir auch den Herrn Chaos allein fort geschickt (dabei wär der bestimmt lieber mit auf dem Sofa eingeschlafen bei der siebzehnten Wiederholgung der Wiederholung irgendeiner dümmlichen Serie, aber diese sozialen Verpflichtungen immer. Wenn schon Frau und Baby unpässlich sind, irgendwer musste ja, schließlich hatte sich des Mannes Großkind den aushäusigen Silvesterevent gewünscht und Wert auf zumindest Vaters Anwesenheit gelegt.)
Das mit den Babydepressionen ist nun nicht total dramatisch schlimm, aber das Saugerl lief in den letzten Tagen irgendwie unrund. Also lief natürlich nur im übertragenen Sinne, eigentlich lag es meistens frustriert rum oder wurde getragen und war dabei auch frustriert. Und raunzig. Und müde. Und weniger gesprächig. Und zweitweilig untröstlich, obwohl gar nicht die Zeit für Saugerlschreierei war.
Ich vermute mal, dass das Saugerl nicht dauerhaft unglücklich bleibt, sondern sich einfach in einem dieser sagenumwobenen Schübe befindet. Knapp 12 Wochen, da kann man schon mal überfordert sein von dem, was man bisher alles erlebt hat. Deshalb gestern eben keine neuen Erlebniss mehr, sondern mutterseits verordnete Sofaruhe.
(Wobei auch Muttern den Blues hatte, den Babyspeckblues. So wie ich nun bin, mag ich manchmal gar nicht aus dem Haus. Mittlerweile kennt auch schon jeder die zwei Hosen und drei Leiberl, die mir noch passen. Zu gut ausgeleuchtet und in Gesellschaft fühl ich mich meist eher schäbig. Unförmig und herunter gekommen. Außerdem ist da immer dieser dezente Hauch von Babyerbrochenem oder saurer Muttermilch, der mich zwangsläufig umgibt, das Saugerl kotzt sehr kunstvoll und derzeit häufig und beim Trinken milcht es auch immer alles voll.)
Bobachtung am Rande: Des Saugerl Kackaktivitäten haben sich irgendwie umgestellt. Zur schlechten Laune kommt auch Verdauungsmurks. Statt mehrmals täglich mit Morgen- und Nachmittagslastigkeit, wird hier nur noch einmalig und abends produziert, scheinbar mit Begleitblähungen.
Ich bild mir zudem ein, irgendwas hat sich ander Augenfarbe vom Saugerl verändert, oder am Blick. So als hätt sich das Saugerl in den letzten Tagen wieder ein bisschen in sich zurück gekehrt, anstatt immer klarer in die Welt hinaus zu schauen.
Ich beneid es ja nicht, das Saugerl. Baby sein muss unheimlich anstrengend sein - und ziemlich psychedelisch. Jugend forscht und entdeckt die Welt in einer Art Dauerrausch irgendwie. Alles unbekannt und seltsam, dubiose Geräusche, irre Farben, Texturen, Formen. Ich glaube, Baby sein ist echt abgefahren. Wundert mich deshalb auch nicht, dass das Saugerl alle Stund ganz dringend schlafen muss.