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Altes Wissen, neu entdeckt: Claudia Schauflinger über kindgerechte Hausmittel

Die Erkältungssaison steht vor der Tür und (nicht nur) Mamas wissen, was das bedeutet: Atemweginfekte, Grippe, Fieber- und Durchfallerkrankungen wirbeln das Familienleben gehörig durcheinander. Vor allem im Kleinkindalter sind aufeinanderfolgende Infekte normal – sobald dein Kind eine Betreuungseinrichtung besucht, ist eine Ansteckung nicht mehr zu vermeiden. Für Eltern ist dies eine anstrengende Phase und da ist es manchmal auch wenig Trost zu wissen, dass das Immunsystem mit jedem durchgemachten Infekt stärker wird. Wir vom BabyForum wollten wissen, wie man banale Infekte begleiten kann und welche Hausmittel die Naturapotheke dafür bereit hält. Im Gespräch mit Claudia Schauflinger, Expertin für Natur- und Erfahrungsmedizin, Buchautorin und Gründerin von „Kinder mögen Hausmittel“, haben wir viel Neues darüber gelernt, wie man Hausmittel kindgerecht einsetzt und warum sanfte Heilmethoden gerade bei den Kleinsten so gut wirken.

Claudia Schauflinger

Liebe Frau Schauflinger, der Spätsommer macht langsam für den Herbst Platz, die eigenen Kinder sind (noch) gesund. Wie kann man das kindliche Immunsystem in der Übergangszeit unterstützen? Und wenn sich doch die erste Erkältung anbahnt – welche Hausmittel empfehlen Sie als „Erste-Hilfe“-Maßnahme?

C. Schauflinger: Neben viel freier Spielzeit an der frischen Luft, reichlich Obst und Gemüse am Teller und ausreichendem Schlaf – denn das sind wichtige Stützen für das Immunsystem - hat sich bei uns das ansteigende Fußbad zu einem sehr beliebten Ritual entwickelt. Die ganze Familie schätzt es, um nahende Erkältungen abzuwehren oder die Symptome eines bestehenden Infektes zu lindern. Der Bonus: diese wohltuende Anwendung stärkt nicht nur den Körper, sondern schafft auch kleine Ruheinseln im bewegten Alltag von Kindern – und ihren Eltern - denn man kann es auch gemeinsam genießen.

So geht‘s: Wir füllen eine Wäschewanne knöchelhoch mit lauwarmem Wasser. Stellen dann die Füße hinein und gießen nach und nach heißes Wasser zu, so dass der Wasserpegel und die Temperatur des Fußbades auf etwa 40 Grad ansteigen. Die Anwendungsdauer von etwa 10 Minuten nutzen wir, um am Wannenrand sitzend, über Ereignisse des Tages zu plaudern oder ein Buch zu lesen. Das Wasser gießen wir übrigens direkt mit der Brause nach, so muss kein Wasser geschleppt werden und nach Beendigung des Fußbades kann es im Handumdrehen ausgekippt werden. Spart Aufwand und Ärger – und macht die Anwendung einfach und unkompliziert. Sie ist daher bei Eltern und Kindern beliebt.

BabyForum: Kopfschmerzen, Schnupfen, Bauchweh und Co. – was sollte jede Mama, die Hausmittel anwenden möchte, immer griffbereit haben?

Das Geniale an den Hausmitteln ist ja: man verwendet Zutaten, die immer zu Hause sind. Klassisch in unseren Breiten: Salz, Zwiebel, Öl, vielleicht auch noch Topfen. Mit diesen Zutaten, ein paar Baumwolltüchern, Schmusewindeln und Handtüchern, also Dingen aus dem Haushalt, kann man die gängigsten Wickel und Anwendungen zubereiten. Ich finde: Hausmittel müssen einfach sein, denn wenn man erst exotische Zutaten kaufen muss, wird das Elternleben zusätzlich erschwert statt erleichtert!

Bei uns ultimativ beliebt: die Zwiebel! Denn sowohl im Sommer, wo sie z.B. bei Insektenstichen rasch lindert, als auch im Winter, wo sie bei Erkältungskrankheiten in unzähligen Rezepten vorkommt, ist sie ein Allroundgenie!

BabyForum: Welchen Rat haben Sie für Mamas, deren Kinder sich weder mit Wadenwickel noch mit Zwiebelsocken anfreunden können?

Kinder sind nicht einfach nur kleine Erwachsene, sie fühlen sich besonders verletzlich und hilflos, wenn sie krank sind. Ganz viel aufmerksame Zuwendung und viele Kuscheleinheiten stärken dann Körper und Seele und helfen beim Gesundwerden. Viele Kinder lieben es, wenn Anwendungen im Rahmen eines Spiels angeboten werden. Je nach Alter und Interessen des Kindes könnte z.B. ein Halswickel Teil einer Ritterrüstung sein. Oder die Puppe und der Teddy brauchen auch Wadenwickel, weil sie fiebern. Toll ist auch, wenn die Eltern mitmachen. Denn was wir tun, was wir vorleben, beeinflusst unsere Kinder sehr. Allgemein gilt: immer auf das Kind hören, im Zweifelsfall die Anwendung beenden oder gar nicht erst anfangen. Lieber erst einmal ein Fußbad machen, das ist beliebt und wirkt auch toll. Oder mit einer Lavendel-Streichelmassage für kuschelige Entspannung sorgen. Erst wenn man gemeinsam Hausmittelerfahrung gesammelt hat, sich als Mama und Papa sicher fühlt, an aufwendigere Anwendungen heranwagen.

BabyForum: Wo liegen die Grenzen der Kinderhausmittel, ab wann sollten Eltern mit ihrem Kind auf jeden Fall zu ihrem Kinderarzt/ihrer Kinderärztin oder in die Ambulanz?

Bei kleinen Babys sind die Grenzen der Selbstbehandlung noch sehr eng gesteckt, vor allem wenn Babys fiebern, ist es immer empfehlenswert, eine Ärztin zu konsultieren. Später können Kinder ein paar Tage fiebern, wichtig ist zu wissen, woher das Fieber kommt. Wenn Kinder Schmerzen noch nicht klar beschreiben können, ist es ratsam, mit einer Ärztin abzuklären, woher das Fieber kommt, also beispielsweise in Hals und Ohren schauen oder eine Harnprobe nehmen. Große Kinder können gut ausdrücken, was weh tut und wie es ihnen geht, da gibt es weniger Unsicherheiten.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für Eltern wichtig ist, ihre Kinder kennen zu lernen. Das klingt vielleicht seltsam, aber jeder Mensch verhält sich anders, wenn er krank ist. Manche neigen auch dazu immer wieder die gleichen „Problemzonen“ zu haben. Also Kinder, die immer mit Bauchweh auf Anspannung reagieren, Kinder, die beim kleinsten Lüfterl Ohrenschmerzen haben,… Das erleichtert es, mit der Zeit auf solche Schmerzen zu reagieren. Man kennt sich, weiß was das Kind braucht, was beim letzten Mal gut gewirkt hat und wie es sich verhält, wenn es wirklich ernst ist. Eltern dürfen da ruhig wieder mehr auf ihr Bauchgefühl hören. Wir sind so eng mit unseren Kindern verbunden, wir spüren wie es ihnen geht. Hat man Zweifel, lohnt es sich, telefonisch Rücksprache mit der Kinderärztin zu halten, um dann gemeinsam weitere Schritte zu entscheiden.

BabyForum: Die Pflege eines kranken Kindes kostet üblicherweise Nerven, Energie und erfordert viel Ausdauer. In Ihrem Buch gibt es daher auch Tipps zur „Selbstfürsorge“. Warum liegt Ihnen dieses Thema so am Herzen?

Weil ich selber Mama bin! Weil ich weiß, dass der Zustand „müde“ unglaublich weit gesteigert werden kann - wenn man Kinder hat! Wir sind so eng mit unseren Kindern verbunden, würden ihnen Schmerzen und Leid am liebsten abnehmen. Da ist es klar, dass durch Mitgefühl und gemeinsam durchwachte Nächte die Energiereserven der Eltern schrumpfen. Um nicht letztlich selber krank zu werden, sollten wir uns aktiv an Pausen erinnern!

Das wohlverdiente Wellness-Wochenende wird sich wohl nicht gleich ausgehen - aber schon 10 Minuten Fußbad, in Ruhe, alleine, oder ein kurzer Spaziergang und ein Telefonat mit einer Freundin, die Verständnis zeigt - können neue Energie geben. Auch das Zurückschrauben von Zielen bspw. wie sauber die Wohnung sein sollte, wann das Essen fertig sein sollte, ... kann zur Entspannung beitragen. Wir haben oft sehr hohe Ansprüche an uns als Eltern – mal Fünf gerade sein lassen hat mir geholfen, bei Kräften zu bleiben.

Aber man kann auch lustige Pausen gemeinsam mit den Kindern machen. Wenn allen etwa nach ein paar Tagen Bettruhe die Decke auf den Kopf fällt: Fenster auf, Lieblingsmusik an, mit den Kindern durch das Wohnzimmer tanzen!

BabyForum: Das Wissen um Traditionelle Heilmittel wurde früher von Generation zu Generation weitergegeben. Heutzutage erleben wir oft eine große Verunsicherung der Eltern im Umgang mit dem kranken Kind. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Dafür gibt es viele Erklärungsversuche. Ganz allgemein: Das Leben ist nicht mehr so, wie es vor 100 Jahren war. Man lebt nicht mehr in kleinen Dörfern, zieht Kinder nicht mehr in Großfamilien groß. Junge Mamas sind oft recht einsam, Internetforen ersetzten das einstige Dorf. War früher immer jemand da, der das kranke Kind zu Hause pflegen konnte, eine Oma, Tanten, große Geschwister, so müssen Eltern heute mit fünf Pflegetagen auskommen. Da würde man das Gesundwerden gerne beschleunigen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Mitteleuropa ganz stark mit dem Gefühl geworben: wir Menschen sind schlauer als die Natur. Stichwort: Fertigmilchnahrung ist besser als Stillen. Das hat sich auch auf das Selbstvertrauen der Eltern ausgewirkt. Das Selbstverständnis mit dem man kindliche Infekte kommen und gehen sieht, annimmt und begleitet, wurde beeinflusst. Sehr selten braucht es unser Zutun beim Gesundwerden, doch Abwarten und Tee trinken alleine reicht den meisten nicht als Begleitung. Zu groß ist die Unsicherheit, die auch vom Hörensagen befeuert wird. Immer kennt jemand jemanden, der jemanden kennt,… dessen Kind an den Folgen eines Schnupfens schwer erkrankt ist. So entsteht Unsicherheit und wir wollen alle nur das Beste für unsere Kinder. Dass das manchmal aber einfach eine Runde Kuscheln, ein Fußbad und eine Tasse Tee sein kann – das glauben viele Eltern erst, wenn sie es erlebt haben.

BabyForum: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch!

Buchcover - Bäuchlein-Öl und Zwiebelsocken

 

Claudia Schauflinger veranstaltet regelmäßig Workshops & Vorträge in Wien und Wien Umgebung. Ihr Buch „Bäuchlein-Öl und Zwiebelsocken“ ist vor Kurzem im Verlag Facultas/Maudrich erschienen.

Alle Workshop-Termine und Informationen zu Claudias Arbeit findest du unter www.kinderhausmittel.com.

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