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Kinderuni: Wissenschaft in Kinderhand

Karoline Iber

Bald ist es wieder soweit: Die Kinderuni Wien öffnet die Türen ihrer Hörsäle. Von 12. bis 24. Juni werden rund 4.000 Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren mehr als 400 Lehrveranstaltungen besuchen. Karoline Iber, Pädagogin, Leiterin des Kinderbüros an der Uni Wien und Initiatorin der Kinderuni, erzählt im Interview mit Kinderkram und Elternwirtschaft, wie die Idee zur Kinderuni entstand und warum die Vorlesungen auch für WissenschafterInnen eine Herausforderung sind. Sie erklärt außerdem, was die Kinderuni vom Schulalltag unterscheidet und wie wichtig ein flexibles Kinderbetreuungsangebot für viele Eltern ist.

Kinderkram: Wie entstand die Idee zur Kinderuni?

Karoline Iber: Die Idee entstand vor mehr als acht Jahren, als wir bemerkten, wie viel Spaß es WissenschafterInnen macht, mit Kindern zusammenzutreffen und umgekehrt, wie bereichernd es für Kinder ist, WissenschafterInnen zu treffen. Die kindliche Neugierde und die wissenschaftliche Neugierde passen wunderbar zusammen.

Wir wollten auch zeigen, wie spannend der Bildungsort Universität ist und die jährlich ansteigende Anzahl an Kinderuni-Kindern beweist, dass die Idee viel mehr ist als ein kurzfristiger Werbegag für Unis. Viele unserer Kinder kommen alljährlich wieder und die Kinderuni-Idee hat ganz Europa erfasst. Wir – als eines der Pilotprojekte im europäischen Raum – koordinieren ein Netzwerk mit mehr als 130 Projekten weltweit.

Welche Herausforderungen stellen sich bei der Wissensvermittlung für Kinder?

Eine große Herausforderung bestreiten die WissenschafterInnen. Sie müssen sich genau überlegen, wie Sie teils sehr komplexe Themen so spannend und so einfach aufbereiten, dass sie die Kinder damit fesseln. Und sie müssen offen sein für die vielen Fragen der Kinder. Wenn sie das sind, dann verlassen alle ein Stück reicher an Wissen den Hörsaal, denn WissenschafterInnen profitieren von Kinderuni genauso wie Kinder.

Für uns OrganisatorInnen ist die größte Herausforderung, Kinder aus dem so genannten „bildungsfernen“ Umfeld anzusprechen – ein Thema, das uns in ganz Europa sehr beschäftigt. Wie erreichen wir die, die das Wort Universität oder Wissenschaft noch nie gehört haben und die sich – trotz kostenlosem Angebot und breiter Informationsarbeit – nicht angesprochen fühlen.

Wir in Wien haben vor vier Jahren die erste Kinderuni on Tour gestartet, die Kinder dort aufsucht, wo sie ihren Sommer verbringen, im Park oder im Jugendzentrum. Heuer – im europäischen Jahr zur Bekämpfung der Armut – kooperieren wir eng mit Flüchtlingshäusern und karitativen Einrichtungen, die Familien begleiten, die an der Armutsgrenze leben. Viele dieser Kinder haben universitären Boden noch nie betreten – und viele dieser Kinder freuen sich schon jetzt auf ihren Besuch an der KinderuniWien, denn sie sammeln schon ihre Fragen, die sie den WissenschafterInnen stellen werden.

Zur Kinderuni kommen die Kinder gerne, das Lernen passiert scheinbar nebenbei, die Vorlesungen machen vor allem Spaß. In der Schule sieht das manchmal anders aus – wie könnte aus Ihrer Sicht auch im täglichen Schulbetrieb die Lust auf´s Lernen gesteigert werden?

Die Kinderuni lebt von der Freiwilligkeit der Teilnahme. Das kann Schule in unserem Schulsystem nicht erreichen, denn in Österreich herrscht Schulpflicht und das ist auch gut so. Bei der Kinderuni sind Prüfungen streng verboten. Das ist auch etwas, das unser Schulsystem von Kinderuni unterscheidet. Die Kinderuni bietet viel Abwechslung und viel Wahlmöglichkeit. Die Kinder wählen aus mehr als 400 Lehrveranstaltungen Themen aus, die ihnen interessant erscheinen. Auch das ist in Schulen nur in eingeschränktem Maße möglich. In der Schule sind die Kinder Teil einer Gruppe und lernen im sozialen Verbund, an die Kinderuni kommen sie individuell. Das kann kurzfristig Spaß machen, wie etwa zwei Wochen im Sommer, ganzjährig würden die Kinder ihre Klassenkameraden aber vermissen.

Kinderuni kann Schule nicht ersetzen, Kinderuni kann Schule ergänzen. Unsere Kinder melden uns zurück, dass es so spannend ist, WissenschafterInnen kennenzulernen. Das ist etwas, das Schule verstärkt übernehmen könnte: Menschen einzuladen, die unterschiedlichen Berufen nachgehen und die mit Begeisterung von dem erzählen, was sie im Alltag tun, und so Lernanreize setzen.

Übrigens gibt es in vielen Schulen viel Spaß beim Lernen und wir sind froh, dass die Kinder zu Kinderuni kommen und schon so viel wissen – aus der Familie, aus der Schule, aus den Medien oder aus ihrem Freundeskreis.

Die Kinderuni dauert knappe zwei Wochen und ist immer gut besucht. Gab es schon Überlegungen, das „Semester“ zu verlängern?

Wir machen mittlerweile das ganze Jahr über Projekte, von der Weihnachtswerkstatt zu Staunelaune-Ferien in der Osterzeit. Auch Forschungsurlaube kann man mit uns machen. Aber die Zeit der WissenschafterInnen ist begrenzt und auch die Gebäude der Universitäten stehen nur begrenzt zur Verfügung. Im Sommer wird dort zwar nicht gelehrt, aber geforscht und viele internationale Konferenzen werden abgehalten.

Das Kinderbüro organisiert nicht nur die Kinderuni, sondern ist eigentlich auf die Vermittlung flexibler Kinderbetreuungsangebote spezialisiert – vor allem für jene Eltern, die an der Universität als Studierende oder MitarbeiterInnen aktiv sind. Wie werden die Angebot angenommen? Sehen Sie prinzipiell die Notwendigkeit weiterer ähnlicher flexibler Angebote in Österreich?

Wir sehen in Wien gerade im Bereich der Kleinstkinderbetreuung einen enormen Bedarf, den wir bei Weitem nicht decken können. Kleinstkinderbetreuung (Kinder unter drei Jahren) ist personalintensiv, wenn man sie ernst nimmt und sich nicht auf reine Pflege und Versorgung konzentriert, eben auch teuer.

Aber aus Rückmeldungen unserer Eltern wissen wir, wie wichtig die Angebote für die berufliche Entwicklung der Eltern ist. Bei uns sind Dissertationen und Habilitationen entstanden, die ohne guter Betreuung der Kinder nie möglich gewesen wären. Und wir sehen, dass auch die Kleinkinder davon profitieren und viel im Sozialverhalten und beim Selbständigwerden lernen. Da können wir uns jetzt schon auf selbstbewusste Kinderuni-Studierende freuen, die vielleicht auch mal NachwuchswissenschafterInnen werden.

Webtipps:
http://kinderuni.at/
http://kinder.univie.ac.at

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