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Nah bei Mama und Papa - oder warum das Leben als Tragling so schön ist

Erblickt ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt, wird er erst einmal ausgiebig bewundert, liebkost, umsorgt und natürlich getragen. In Mamas Armen, über Papas Schulter, im Fliegergriff bei Oma oder in einem kuscheligen Tragetuch, so lässt es sich besonders sanft ins Leben starten.

Mütter in China mit Babys um den Rücken gebunden

Das Tragen ist gewissermaßen eine Notwendigkeit, schließlich dauert es noch ein paar Monate bis sich Babys selbst fortbewegen können. Es bringt jedoch noch viel mehr positive Aspekte mit sich als bisher angenommen. Tragen ermöglicht den Kleinsten einen harmonischen Übergang von der sicheren Welt in Mamas Bauch in ein ihnen vollkommen unbekanntes Universum außerhalb. Ob Mama, Papa, Tante oder der Opa trägt, macht für den Säugling übrigens keinen Unterschied. Für ihn zählen alleine Nähe und Geborgenheit, die im unmittelbaren Körperkontakt zu einer vertrauten Bezugsperson entstehen.

Geschichte des Tragens

Was viele als aktuellen Trend bezeichnen würden, ist tatsächlich eine Art Rückkehr zu alten Traditionen. Getragen wird nämlich schon seit Urzeiten. Erst mit der Erfindung des Kinderwagens geriet das Tragen in Verruf. Sein Kind im Wagen zu schaukeln, stand für Wohlstand und Bildung. Es bedeutete schließlich, dass man es sich leisten konnte, die Erziehung der Kinder anderen Personen zu übertragen. Während sich der Kinderwagen in den Industrienationen immer mehr etablierte, blieb man in anderen Kulturen dem Tragen treu. Noch heute ist das Tragen für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung eine Selbstverständlichkeit. In Afrika oder Asien werden Säuglinge beispielsweise von Geburt an getragen. Ihr Leben spielt sich in der ersten Zeit im Tragetuch ab. Dort schlafen sie, dort werden sie gestillt, dort werden sie beruhigt und dort tanken sie beinahe so viel Nähe wie im Mutterleib.

Mama ist mein Pony

Die kleinen Traglinge trifft man mittlerweile überall: im Rückbildungskurs, an der Haltestelle, auf der Wochenbett-Station, in der Straßenbahn oder im Einkaufszentrum. Sie machen es sich in Tragehilfen mit lustigen Motiven, schicken Ring Slings und bunten Tragetüchern so richtig gemütlich. Ganz nah bei Mama sammeln sie aus sicherer Distanz die ersten Eindrücke von „unserer“ Welt. Und wenn alles zu viel wird, dann ist der Weg bis zum nächsten Nickerchen glücklicherweise nicht weit. Sanfte Schaukelbewegungen, Mamas oder Papas Körpernähe und schon fallen die Augen (fast) von alleine zu.

Ein paar Trage-Regeln

Wer sein Kind gerne und viel trägt, liegt damit grundsätzlich nie falsch. Es gibt jedoch einige Punkte, die Eltern beachten sollten, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich „richtig“ tragen. Ein Tragetuch ist vor allem bei Neugeborenen das erste Mittel der Wahl. Es passt sich dem Baby perfekt an. Wer mit dem Tuch tragen möchte, sollte auf gute Qualität und die entsprechende Webung achten. Außerdem empfiehlt es sich, bereits in der Schwangerschaft ein paar Bindeweisen zu erlernen. Für Neugeborene eignet sich die Wickelkreuztrage, ab guter Kopfkontrolle wird auch gerne der einfache Rucksack (Rückentrageweise) gebunden. Mittlerweile gibt es am Markt auch eine Reihe empfehlenswerter Tragehilfen (Mei Tai, Half-Buckle, Full-Buckle), die teilweise bereits ab Geburt verwendet werden können. Fürs Tragen im Tuch und in der Tragehilfe gelten dieselben Regeln:

  • Die natürliche Anhock-Spreizhaltung des Kindes muss unterstützt werden. Tragehilfen müssen dafür über einen verstellbaren Steg verfügen.
  • Auf den kindlichen Rücken darf kein Druck ausgeübt werden, er soll sich natürlich abrunden.
  • Kinder sind mit ihrem Gesicht dem Träger/der Trägerin zugewandt (schützt vor Reizüberflutung).
  • Der Nacken des Babys muss stets gut gestützt werden.
  • Babys immer so eng wie möglich am Körper tragen – das bedeutet, Tragetücher wirklich straff binden und Tragehilfen ordentlich festziehen. So wird verhindert, dass die kleinen Traglinge in sich zusammensacken und eine ungünstige Haltung einnehmen.

Wiedergewonnene Freiheit

Mit ein wenig Übung, kriegt man seinen Schatz schnell gebeutelt und dann folgt für viele Trageeltern der „Aha“- Moment. Plötzlich ist man beweglicher. Treppen, kleine Hindernisse, Bordsteinkanten oder überfüllte Busse stellen kein Problem mehr dar. Und auch im Haushalt geht vieles leichter von der Hand. Trageprofis waschen, putzen, kochen und spielen mit älteren Geschwistern, während der Tragling friedlich vor sich hin döst oder das Geschehen aufmerksam beobachtet.

Tipp: für Mamas, die nach der Geburt wieder in Form kommen und dabei nicht auf ihren kleinen Schatz verzichten möchten, ist „Kangatraining“ genau das Richtige. Das Prinzip ist denkbar einfach (und trotzdem ganz schön schweißtreibend). Mama trainiert ihren Beckenboden, stärkt ihren Haltungsapparat und aktiviert ihre Bauchmuskeln – der Nachwuchs ist dank Tragehilfe mit von der Partie.

Das spricht dafür ...

Selbstverständlich fühlen sich Babys auch im Kinderwagen oder in den Armen einer vertrauten Person pudelwohl. Ob ausgiebig getragen wird oder nicht, ist (genauso wie die Entscheidung für eine bestimmte Trageweise) Geschmacks- und nicht zuletzt eine Gefühlssache. In Studien konnte man nachweisen, dass das Herz eines getragenen Babys im Vergleich zu einem wenig getragenen Baby regelmäßiger schlägt. Darüber hinaus gibt es viele weitere positive Effekte, die man wie folgt zusammenfassen kann:

  • Tragen stärkt die Bindung zwischen Mutter/Vater und Kind.
  • Tragen wirkt sich positiv auf die Milchbildung und somit auf die Stillbeziehung aus.
  • Tragen hilft bei Koliken, Schlafproblemen und Unruhezuständen.
  • Die Hüftenwicklung des Babys wird positiv beeinflusst, ebenso die Entwicklung des gesamten Haltungsapparates.
  • Tragen gibt Eltern/Kind-Paaren, die einen holprigen Start hatten (z.B. Not-Kaiserschnitt, Frühgeburt, Stillprobleme), die Gelegenheit, verlorene Nähe nachzuholen und ein Gefühl füreinander zu entwickeln.
  • Es macht Spaß.

… und das dagegen

Angesichts der vielen positiven Aspekte des Tragens, gleicht die Frage nach potentiellen Nachteilen der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Handfeste Argumente, die gegen den Einsatz einer Tragehilfe oder eines Tragetuchs sprechen, gibt es kaum.

Unter gewissen Umständen, z.B. bei starker gesundheitlicher Beeinträchtigung oder vorangegangener Verletzungen seitens des Tragenden, ist es vermutlich sinnvoller, auf das Tragen zu verzichten. Wer Tag ein und Tag aus trägt, sollte außerdem kein Problem mit Nähe haben. Nicht selten wird es für Eltern und Traglinge manchmal auch einfach zu viel, permanent aneinander zu „kleben“.

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