ÖVP und FPÖ planen Abschaffung der Bildungskarenz
Seit die Verhandlungsteams der ÖVP und FPÖ an einem Tisch sitzen, sickern beinahe tägliche neue Details zu möglichen Reformen und Sparplänen durch. Einsparen will man unter anderem bei der Bildungskarenz, indem die arbeitsmarktpolitische Maßnahme gänzlich abgeschafft werden soll. Das Einsparungspotenzial beträgt etwa 350 Millionen Euro. Ein entsprechender Gesetzesentwurf könnte schon bald von FPÖ und ÖVP eingebracht werden.
Weiterbildung für Arbeitnehmer*innen
Seit 1998 gibt es für Arbeitnehmer*innen in Österreich die Möglichkeit, sich eine Auszeit vom Beruf zu nehmen, um in dieser Zeit eine Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahme zu absolvieren. Ziel der Bildungskarenz sollte es sein, die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern oder sich für eine höhere Position in der eigenen Firma zu qualifizieren. Alternativ unterstützt die Bildungskarenz auch bei einem geplanten Umstieg in eine andere Branche. Die Bildungskarenz wird auch gerne genutzt, um Schul- oder Studienabschlüsse nachzuholen.
Voraussetzung für den Anspruch auf Bildungskarenz ist ein aufrechtes Arbeitsverhältnis und das Einverständnis des*der Arbeitgeber*in. Er/sie muss bereit sein, eine Freistellung für die Dauer der Bildungskarenz zu erteilen. Weiters muss eine Klärung mit der zuständigen Geschäftsstelle des AMS (Arbeitsmarktservice) erfolgen. Während der Bildungskarenz erhalten Arbeitnehmer*innen das sogenannte Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe von 14,53 Euro täglich. Für die Dauer der Bildungskarenz gibt es zwei Varianten: Sie muss mindestens zwei Monate betragen und darf maximal ein Jahr (12 Monate) dauern. Es gibt auch die Möglichkeit, die Weiterbildungsphase zu stückeln, wobei ein Block mit mindestens 2 Monaten geplant werden muss. In dieser Zeit sind Arbeitnehmer*innen voll versichert. Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld entfallen jedoch. Einen Kündigungsschutz gibt es während der Bildungskarenz nicht.
Insbesondere wichtig ist es, die geplante Fortbildungsmaßnahme mit dem AMS abzustimmen. Es werden nur jene Kurse und Weiterbildungen akzeptiert, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Am Ende der Kurszeit gilt es Ausbildungszeiten im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden nachzuweisen, der Nachweis muss schriftlich erbracht und vom Fortbildungsinstitut bestätigt werden. Für Eltern gibt es eine Ausnahmeregelung: Wenn sie Betreuungspflichten für ein Kind unter sieben Jahren haben, müssen sie nur 16 Wochenstunden erbringen. Bei der Wahl des Kurses spielt die berufliche Relevanz eine Rolle. Fremdsprachenschulungen, EDV-Kurse und Fortbildungen aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich (z.B. Rechnungswesen, Marketing, Personalwesen, Management) werden häufig gewählt. Kurse, die keinen beruflichen Bezug haben und nur der persönlichen Weiterentwicklung oder der Fortführung eines Hobbys dienen, werden nicht akzeptiert.
Wer ist von der Abschaffung betroffen?
Wann das endgültige Aus für die Bildungskarenz kommt, ist derzeit noch unklar. ÖVP und FPÖ müssen sich in erster Linie auf die Bildung einer tragfähigen Koalition einigen, dann können entsprechende Gesetzesänderungen eingebracht werden. Derzeit geht man davon aus, dass die Bildungskarenz frühestens im zweiten Halbjahr 2025 abgeschafft werden könnte. Bis es so weit ist, gilt die aktuelle Rechtslage und Arbeitnehmer*innen können um Bildungskarenz ansuchen. Bereits bewilligte Anträge sind nicht betroffen, es soll nach aktuellem Stand keine rückwirkende Aufhebung geben. Allgemein betroffen sind Arbeitnehmer*innen, die sich eine Auszeit vom Beruf nehmen wollten, um eine Umschulung oder eine Fortbildungsmaßnahme zu absolvieren. Die Bildungskarenz wurde in den letzten Jahren aber auch verstärkt von Frauen genutzt, die diese direkt an die Elternkarenz angeschlossen haben. Dadurch konnten sie ihre Chancen für den Wiedereinstieg ins Berufsleben verbessern und sich für einen späteren Wiedereinstieg höher qualifizieren.
Reformbedarf bei bestehendem Bildungskarenzmodell
Kritik an der aktuellen Ausgestaltung der Bildungskarenz wurde in den letzten Monaten immer lauter. Zahlreiche Interessengemeinschaften sowie der Arbeitsminister Martin Kocher forderten Nachbesserungen. Die Bildungskarenz sei „zu wenig zielgerichtet“, ebenso sei der berufliche Mehrwert nicht immer klar. Der Rechnungshof wies in einem Bericht von 2023 zudem auf die hohen Kosten der Maßnahme hin.
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