Die Frage war nicht, ob uns jemand erklären kann, was mir machen, sondern ob jemand einen Text beisteuern möchte.
Leider scheint das in dieser Form nur schlecht zu funktionieren. Insbesondere Texte einfach so für sich stehen lassen zu können. Unserer Lerneffekt daraus: Dinge sofort zur Diskussion zu stellen, führt zu Diskussionen, die zu nichts führen.
Wenn ich es als stille Mitleserin richtig aufgefasst habe, hat dieser Aufruf ja sogar intern zu Unstimmigkeiten geführt. Das ist schade und war nicht der Sinn der Sache.
Es hat Zeiten gegeben, in denen ich mich voller Selbstmitleid und Verzweiflung gefragt habe: Warum muss ich mir von morgens bis abends den Hals wund schreien - und es hört trotzdem keiner auf mich? Jedenfalls nicht in dem Irrenhaus, in dem ich seit 23 Jahren als Mutter tätig bin.
Es hat Zeiten gegeben, da war ich abends dankbar, dass meine Halsschlagader auch diesen Tag wieder überlebt hat, ohne zu platzen.
Es hat auch Zeiten gegeben, in denen mein Grundnahrungsmittel ein Eukalyptusbonbons war und ich nicht mal mehr um Hilfe hätte schreien können, wenn die Kinder, die ich im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten ausgetragen habe, mich geknebelt, gefesselt und gefoltert hätten.
Dem Himmel sei Dank, diese Zeiten sind vorbei, seit ich die glorreiche Idee mit den vielen, kleinen Zettelchen hatte.
Auf dem Kühlschrank klebt seither ein Schreiben folgenden Inhalts:
1) Der Kühlschrank wird nicht voller, je länger man hineinschaut.
2) Leere Eierkartons und leere Limoflaschen füllen sich nicht von alleine auf, wenn sie im Kühlschrank stehen bleiben.
3) Butter und Käse haben keine Beine und keine Flügel, sie müssen infolgedessen vom Benutzer wieder
zurückgestellt werden.
4) Wird die Kühlschranktüre zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geöffnet, springt ein Geist heraus, der kleine Kinder frisst.
Über der Waschmaschine hängt ein Plakat , 2 m x 2 m groß, auf dem zu lesen ist:
1) Socken, in denen man die Zehen nicht mehr bewegen kann, gehören in die Schmutzwäsche.
2) Die einzige Bodendekoration in diesem Raum sind Badematten. Nasse Handtücher und schmutzige Unterwäsche taugen nicht als Verschönerungsmaßnahme.
3) Falls die Hosen, die ihr auszieht, von alleine stehen bleiben, stellt sie bitte ganz vorsichtig an die Wand. Nicht wieder anziehen!!!!!
Was soll ich sagen? Es funktioniert. Nicht immer, aber immer öfter.
Mein Ältester (23) zeigte zwar leichte Zeichen von Unmut, als er aus der Schule kam und sah, was ich in großen Druckbuchstaben mit Filzstift über seinem Bett auf die Tapete gemalt hatte:
1) Essensreste, die länger als 2 Wochen an der gleichen Stelle stehen, warten nicht auf den Friseur, sie müssen entsorgt werden.
2) Die Kleider unter deinem Bett, in denen Gr. 104 steht, passen dir seit 18 Jahren nicht mehr.
3) Bevor die leeren Hamburger- Verpackungen eine feste Verbindung mit deinem Teppich eingehen, wirf sie lieber weg.
Das konnte ich so gerade wieder hinbiegen. Aber das Problem an der Sache ist, ich kann nicht mehr damit aufhören, Zettel zu schreiben.
Ernste Bedenken kamen mir, als ich am Aquarium neulich folgenden Hinweis entdeckte, zweifellos in meiner Handschrift:
1) Euer Futter steht im Küchenschrank über der Spüle.
2) Bitte zweimal die Woche frisches Wasser nehmen. Ihr seid jetzt alt genug dazu.
3) Und wenn euch das nicht passt, lernt gefälligst zu sprechen.
Gott sei Dank kam ich zur Besinnung, bevor die armen Fische mit dem Bauch nach oben schwammen.
Neulich abends, ich war gerade dabei ein Schreiben in Herzform ans Baby- Bett zu nageln:
1) Alle Kinder schlafen nachts!
2) Versuch du es doch auch mal!,
beobachtete mein Mann mich nachdenklich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er kopfschüttelnd den Raum verließ.
„Ja, ist ja gut, ich hab den Tesafilm halt nicht gefunden. Nun reg dich doch nicht gleich so künstlich auf!“
„Ich rege mich überhaupt nicht auf, ich hab nur langsam das Gefühl, ich bin mit einer Verrückten verheiratet.“
Zwei Tage später!
Wir liegen im Bett, mein Göttergatte kuschelt sich zärtlich an mich. Da fällt mir plötzlich was ein. Ich renne in die Küche, nehme eines von diesen selbsthaftenden Notizzettelchen und kritzele in wilder Hast darauf:
1) Ich mag keine schnarchenden Ehemänner.
2) Solltest du auch diese Nacht wieder schnarchen, ziehe ich um. Aber nicht ins Wohnzimmer, sondern auf einen anderen Erdteil.
Zugegeben, vielleicht hätte ich ihm diese Drohung nicht mitten auf die Stirn pappen sollen.
Vielleicht bin ich ein ganz kleines bisschen zu weit gegangen.
Er schaut mich mitleidig an und sagt:
"Liebling, ich glaube, wir müssen einen Facharzt aufsuchen. Dieser irrwitzige Drang, Zettelchen zu schreiben, nimmt langsam Formen an, die psychotisch sind."
Spricht es und entsorgt alles, was auch nur im Entferntesten an Kulis, Bleistifte, Filzstifte, Papier, Blöcke, Hefte oder sonstige Schreibutensilien erinnert.
Nachts treffen mich die ersten Entzugserscheinungen bereits mit voller Wucht. Meine Hände fangen an zu zittern, um meinen Mund nehme ich unkontrollierbare Zuckungen wahr und mein Herz schlägt so wild und laut, dass ich Angst habe, alle Haustiere im Umkreis von 18 km aufzuwecken. Ich nehme mir fest vor, morgen zu den "anonymen Zettel- Schreiberinnen" zu gehen. Alleine komme ich von dieser Sucht nicht mehr los. Ich muss mir ein anderes Hobby suchen.
Vielen Dank an Barbara, die diesen Text "gespendet" hat.
Die verschwundene Frau
Meine Brüste sind riesige Akkus, prall gefüllt mit Energie. Mein Säugling saugt sie mir aus dem Leib, die Milch und die Energie. Die Brüste sind hartnäckig und füllen sich immer wieder neu. Um meinen Sohn zu nähren. Vielleicht hoffen sie aber auch - wie ich - dass irgendwann wieder ein bisschen Energie für mich übrig bleibt.
Seit der Geburt meiner Kinder definiere mich nicht mehr als Frau, sondern als Muttertier. Meinem Kind ist es egal, ob ich einen schlabbrigen Pullover oder ein schönes Kleid trage. Mein Kind spuckt drauf und sabbert alles voll. Wozu mich umziehen? Es wird wieder draufspucken, nachdem es meine Brüste leergesaugt hat.
„Für wen soll ich mich denn schön machen“?, brülle ich in den Spiegel.
„Für dich selbst“, flüstert der Spiegel, aber ich kann ihn nicht hören, weil mein Kind gerade die Klospülung drückt. Vorher hat es die Socken hineingeschmissen und gesagt: „Mama hilft Wäsche wascht.“
Aus „Wie geht‘s dir?“ ist „Wie geht‘s den Kindern?“ geworden. Ich verschwinde hinter meiner Brut, werde als Frau unsichtbar. Es ist so, als würde es mich als Individuum nicht mehr geben, nur im Doppelpack mit Kind. Ich werde nicht mehr gefragt, welches Buch ich lese - wozu auch, zum Lesen hab ich ohnehin kaum noch Zeit - , man will nicht mehr meine Wortspenden zum Zeitgeschehen oder meinem Liebesleben - wozu auch, für ein Liebesleben habe ich ohnehin keine Energie - nein, alles, was interessiert ist, ob der Kleine jetzt endlich geschissen hat oder an Verstopfung zugrunde geht.
Hilfe, möchte ich schreien! Ich gehe zugrunde, die körperliche Über- und geistige Unterforderung verstopft meine Lebendigkeit, wenn ihr mich nicht mehr als Frau, als Freundin, als Kollegin wahrnehmt, sondern nur noch als Mutter. Aber ich schreie nicht, ich lächle, freue mich über vollgeschissene Windeln und Zähne, die es an die Oberfläche geschafft haben. Es wäre unfair zu schreien, denn ich habe es gut erwischt, ich habe einen Mann, der nicht nur Schnitzel panieren und Karotten pürieren kann, sondern der auch Minizehennägel schneidet, Miniwunden verarztet und Minihäuser aus Duplo baut.
Ich habe einen Mann, der nachts aufsteht und mit dem Minimenschen im Arm eine Runde auf dem Trampolin hüpft, damit er wieder einschläft.
Ich liebe meine Kinder. Sie sind das beste, was mir passiert ist. Am meisten Liebe spüre ich, wenn sie schlafen. Trotzdem sehne ich mich danach, dass mein Körper wieder mir gehört. Dass sich niemand an mich klammert und schreit. Meine Tochter denkt, sie heißt „Klotzenbein“. Wenn jemand mich plötzlich nach meinem Namen fragt, sage ich „Mama“, denn der am häufigsten gehörte Satz in meinem Leben ist: „Mama, schau!“ Und ich schaue, dabei fallen mir die Augen zu, wegen des chronischen Schlafmangels.
Da gibt es Freundinnen, die plötzlich ganz wenig Zeit und einen völlig anderen Lebensrhythmus haben als ich. Da gibt es welche, die geradeheraus sagen, dass es sie stört, dass meine Kinder unsere Gespräche unterbrechen. Da gibt es Freundinnen, die meiden mich, weil sie mich um mein Leben mit Kindern beneiden. Ich beneide sie um ihren Urlaub auf Hawaii.
Zum Glück gibt es auch Freundinnen, die mich aushalten. Die mich halten. Mit denen ich über zahnende Kinder und den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf reden kann. Über meine Brustentzündung und über ihren Liebeskummer. Freundinnen, denen ich erzählen kann, wie einsam und erschöpft ich mich manchmal fühle, trotz der Kinder. Wegen der Kinder. Freundinnen, die mich verstehen.
Freundinnen, die in der Stadt wohnen und mich manchmal besuchen.
Denn in dem Dorf, in dem ich seit kurzem lebe, bin ich fremd, Ich habe keine Vorhänge, ich wähle die falsche Partei, ich gehöre nicht dazu. Hier habe ich keine Freundinnen. Die Sandkistenmütter sind ein kleiner Trost. Aber sie ersetzen meine Freundinnen nicht.
„Ich arbeite jetzt wieder“, erzähle ich den Sandkistenmüttern irgendwann stolz. Ein Kind ist 2 Jahre alt, das andere 6 Monate.
„Und das erlaubt dein Mann?“, fragen mich die Mütter entsetzt.
„Ich weiß nicht. Ich hab ihn nicht gefragt.“
Mehr als zwanzig Jahre ist das jetzt her. Obwohl ich so eine Rabenmutter war, sind meine Kinder großartige Menschen geworden. Meine Tochter „Klotzenbein“ ist nach Dänemark ausgewandert und ich vermisse sie sehr. Mein Sohn wohnt immer noch hier. Und er wäscht immer noch die Wäsche. Zum Glück nicht im Klo.
und 33 andere.
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